Neues Fachbuch: Digitale Plattformen und Ökosysteme im B2B-Bereich


Buchkapitel Auszug

Der Beitrag befasst sich mit der Frage, wie in spezifischen Teilprozessen bei der Neuproduktentwicklung eine Lieferantenintegration mittels einer IT-Plattform stattfinden kann. Insbesondere geht es um die Freigabe von Teilen und deren Materialien, welche von Lieferanten in der Wertschöpfungskette stammen. Neu ist hierbei die Integration von Prüflaboren, welche unabhängige Untersuchungen durchführen. Der Fall wird anhand komplexer Produkte der Automobilindustrie erörtert.

10.1  Collaboration als Industriephänomen

 Die Automobilunternehmen kaufen die Mehrheit der Teile bei Lieferanten ein (weniger als 50 % der Wertschöpfung verbleibt zwischenzeitlich beim OEM – Original Equipment Manufacturer; vgl. Koch, 2006). Bei tausenden von Kaufteilen für ein neues Fahrzeugmodell ist der administrative Aufwand in der Automobilindustrie extrem hoch. Unternehmensübergreifend mangelt es an Standards und Schnittstellen für die Daten, welche für eine Teilefreigabe notwendig sind (sowohl bei den Vorgabedokumenten/Normen, als auch bei den Prüfbescheinigungen). Eine zweistellige Anzahl von Mitarbeitern wird für die Auswertung, Zuordnung und Dokumentation von Teilefreigaben – in der Regel auf Basis von unstrukturierten PDF-Dokumenten – benötigt. Neben dem Dokumentationsaufwand können Übertragungsfehler auftreten – weiterhin ist die Überprüfung von unrichtigen Angaben schwer zu identifizieren. Eine sichere, digitale Übermittlung ist daher wünschenswert. Die Industrie hat dies erkannt und befindet sich nunmehr in einem Paradigmenwechsel zu Cloud-orientierten Lösungen, die im Vergleich zu in der Vergangenheit eingerichteten statischen Schnittstellen neue Anbindungen oder Rollenwechsel in vernetzten Strukturen über mehrere Stufen hinweg einfach erlauben. So wurde in Deutschland der Verein für Catena-X gegründet, mit der Zielsetzung, Standards für einen fairen, sicheren und Compliance-konformen Datenaustausch zu schaffen (vgl. Catena-X e. V., 2022). Das hier diskutierte Fallbeispiel zeigt eine Cloud-Lösung für die Einbindung von Teilelieferanten und Dienstleistern, mit der die Effizienz maßgeblich gesteigert werden. Hierdurch wird ein maßgeblicher Beitrag dazu geleistet, die strategisch relevante „Time-to-Market“ einzuhalten (vgl. Stirzel & Hüntelmann, 2008).

10.2 Problemstellung, Zielsetzung und Vorgehensweise

Der Beitrag zeigt anhand der branchenüblichen Prozesse und der neu entwickelten Plattform „material.one“, wie eine Zusammenarbeit mit einem hohen Digitalisierungsgrad effizient und fehlerfrei ablaufen kann. Hierbei wird einerseits die Digitalisierung von Freigabeprozessen in der Kette eines OEM betrachtet, andererseits wird aufgezeigt, wie durch entsprechende Governance eine gemeinsame Nutzung der Plattform in mehreren (wettbewerblichen) Automobil-OEM und deren Lieferkettenerfolgen kann. Bei der Untersuchung ergeben sich die folgenden Fragen und Ziele:

 •   Wie ist ein unternehmensübergreifendes Freigabemanagement für kollaborierende Unternehmen in der Automobilindustrie prozessual unter Einbezug aller Akteure zu gestalten?

(→ Prozessmodell/Anforderungen im Kontext der Entwicklung mit Lieferanten Abschn. 10.3.4.1)

•   Wie kann ein kollaborativer Freigabeworkflow von einer digitalen Plattform in

geeigneter Form unterstützt werden?

(→ Plattformkonzept Abschn. 10.3.5)

Buchkapitel 10 (23 Seiten):
Kollaboration im Freigabe- und Nachweismanagement von Bauteilen in einem OEM-Supplier-Ökosystem der Automobilindustrie

29,90 €