PPAP: “Product Part Approval Process” und “Digital PPAP”

Sie erhalten mit diesem Artikel einen umfassenden Überblick zum PPAP Verfahren und der Nachweisführung und Anwendung in der Praxis und was sich hinter “Digital PPAP” verbirgt. Es ist zum einen ein notwendiges Instrument der OEM-Hersteller, um Vertrauen in Produktlieferanten und ihre Produktionsprozesse zu schaffen. Es gehört zum Produktentstehungsprozess. Zum anderen verfolgen mit PPAP das Ziel, die Risiken vor der Freigabe eines Produkts oder einer Dienstleistung formell und teamorientiert mithilfe etablierter Instrumente und Techniken zu reduzieren.


Überblick Einordnung von PPAP

Grundsätzliches zu PPAP

PPAP ist der Nachweis- und Genehmigungsprozess für Produktionsteile. Es beinhaltet die grundlegenden Forderungen für die Bemusterung aller Produktions- und Ersatzteile und entspricht dabei dem PPF-Verfahren (Produktionsprozess und Produktfreigabe – auch PPF genannt). Während PPF nach den Vorgaben der deutschen Automobilindustrie (VDA Band 2) umgesetzt wird, richtetet sich PPAP nach der amerikanischen Arbeitsgruppe für Lieferanten-Qualitätsforderungen (AIAG = Automotive Industry Action Group). Es besteht aus 5 Levels und 18 einzigartigen Elementen, die dazu beitragen, Vertrauen in die Produktionsprozesse und die Gesamtqualität des Produkts eines Lieferanten aufzubauen.

Das PPAP-Verfahren wird logischerweise hauptsächlich in der Automobilindustrie auf Basis der Industrienormen IATF 16949:2016 und ISO 9001:2015 angewendet. Ursprünglich entwickelte es die AlAG (Automotive Industry Action Group) im Jahr 1993 in Zusammenarbeit mit den „Big 3“, Ford, Chrysler und GM. Die die neueste Version des PPAP ist die 4. Auflage des AlAG, die am 1. Juni 2006 in Kraft getreten.

Es gibt neben PPAP auch das FAI (First Article Inspection) Verfahren. Wann wird ein PPAP und wann ein FAI durchgeführt?

  • Werden beide am Lieferantenstandort durchgeführt oder wo werden sie durchgeführt und wer ist dafür verantwortlich (sowohl für PPAP als auch für FAI)?

  • Betrachten wir nur die CtQ-Bemaßungen auf der Zeichnung oder alle Dimensionen (für PPAP und FAI)?

  • Was ist, wenn eine bestimmte CtQ-Dimension die Anforderung nicht erfüllt (sowohl für PPAP als auch für FAI). Was sind die notwendigen Maßnahmen?

  • Was passiert, wenn eine bestimmte Nicht-CtQ-Dimension die Anforderung nicht erfüllt (sowohl für PPAP als auch für FAI). Was sind die notwendigen Maßnahmen?

  • Gibt es eine Stichprobengröße für das Los, an dem PPAP und/oder FAI durchgeführt werden?

  • Alle relevanten Normen speziell für die Luft- und Raumfahrtindustrie (für PPAP und FAI)

PPAP hat sich aber auch inzwischen weit über die Automobilindustrie hinaus in vielen verschiedenen Branchen durchgesetzt, wie z.B. der Elektroindustrie (meist entlang IATF 16949:2016), Schiffbau (ISO 30005:2012) oder Luft- , Raumfahrt- und Verteidigung (Bemusterung, DIN EN 9102). 

 

Wann ist PPAP erforderlich?

Gründe für PPAP

Wenn ein OEM dies verlangt. Der OEM kann diese jederzeit anfordern. In der modernen Automobilindustrie gilt PPAP als zwingend erforderlich. Hier einige Beispiele, wann PPAP erforderlich ist.

  • Neuer Lieferant: Der OEM verpflichtet den neuen Lieferanten PPAP einzusetzen, um durch denselben standardisierten Genehmigungsprozess zu führen, den sein Vorgänger durchlaufen musste.

  • Entwicklung von Neuteilen: Hierbei müssen normalerweise alle 18 Anforderungen der PPAP-Vorlage erfüllt werden.

  • Design- oder Prozessänderungen: Das PPAP befasst sich mit der ordnungsgemäßen Genehmigung dieser Änderungen vor der Montage/dem Prozess der nächsten Stufe.

  • Technische Änderungen: Dokumente zu technischen Änderungen und zur „Process Failure Mode and Effects Analysis“ (Prozessfehler, Möglichkeits- und Einfluss-Analyse; PFMEA) sind besonders wichtig, um Risiken zu minimieren.

  • Mangelnde Kompatibilität bei früheren Vorlagen und Korrekturbedarf: Die vollständige Dokumentation von Korrekturmaßnahmen (und Abweichungsmessungen) ermöglicht es, alle Korrekturmaßnahmen und Fehler an ihren Konstruktionseingaben nachzuverfolgen und das Problem bei der nächsten Vorlage zu vermeiden.

  • Produktionsstart an einem neuen Standort: Das PPAP stellt sicher, dass bei dem Wechsel die richtigen Informationen und Daten zur Verfügung stehen, um die Teilekonformität aufrechtzuerhalten.

  • Um den Einsatz entsprechender Werkzeuge und Messmittel zu dokumentieren (Transfer, Ersatz, Aufarbeitung oder zusätzliche Werkzeuge und Messmittel)

Was sind die 5 Vorlagestufen des PPAP - Part Submission Warrant (PSW)?

Dies ist die Vereinbarung zum Umfang. Sie sind eine Art „Container“ für die unterschiedlichen Anforderungen.

Die 5 Stufen unterscheiden sich im Umfang der Bemusterung:

Teilevorlagenbestätigung - Part Submission Warrant (PSW) …

  1. PSW wird dem Kunden vorgelegt.

  2. mit Musterteilen und eingeschränkte unterstützende Daten.

  3. mit Musterteilen und umfassende unterstützende Daten.

  4. und andere Forderungen, wie sie vom Kunden festgelegt wurden.

  5. mit Musterteilen und vollständige unterstützende Daten stehen am Produktionsstandort des Lieferanten für eine Bewertung zur Verfügung.

Was sind die 18 Elemente und Anforderungen des PPAP?

In den Vorlagestufen kommen jeweils dazugehörige Anforderungen aus dieser Liste zur Anwendung.
 
Hinweis: Für jede Stufe ist eine vollständige APQP gemäß den Anforderungen des Kunden erforderlich. Die PPAP-Stufe gibt lediglich an, welche Elemente Sie einreichen und welche Sie an Ihrem Standort aufbewahren.


PPAP-Genehmigungsstatus: 

Genehmigt/Freigabe

“Das Teil erfüllt alle Anforderungen des Kunden” und “Der Lieferant ist berechtigt, Produktionsmengen des Teils zu liefern”.

Vorläufig genehmigt/bedingte Freigabe

Dies ermöglicht den Versand des Teils auf Basis einer begrenzten Zeit oder Stückzahl. Die Fehlerursachen müssen ermittelt werden, der Maßnahmenplan muss dem OEM vorgelegt werden und die neue Bemusterung muss durchgeführt werden

Abgelehnt

Das Teil entspricht nicht den Anforderungen des Kunden, die Fehlerursachen müssen ermittelt, der Maßnahmenplan muss dem OEM vorgelegt und die neue Bemusterung muss durchgeführt werden


Was sind die Vorteile des PPAP-Einsatzes?

 Kurz zusammengefasst, minimiert PPAP das Risiko, dass etwas schiefgeht und Korrekturmaßnahmen ergriffen werden müssen. Eine gründliche Bewertung der Produktionsprozesse, einschließlich der Geschwindigkeit und der Qualitätsleistung, verhindert Teileengpässe und Qualitätsprobleme.
Am Ende kommt dies sowohl den Lieferanten als auch den OEMs zugute. Es ermöglicht eine reibungslose Markteinführung neuer Produkte, auf die alle Beteiligten stolz sein können. 

  • Die Nachweise und der Nachweisprozess tragen zur Wahrung der Designintegrität bei

  • Die frühzeitige Identifizierung von Problemen zur Lösung

  • PPAP reduziert die Garantiekosten und verhindert die Kosten für schlechte Qualität,

  • unterstützt bei der Verwaltung von Lieferantenwechseln, verhindert die Verwendung von nicht zugelassenen und nicht konformen Teilen, identifiziert Lieferanten, die mehr Entwicklung benötigen und verbessert die Gesamtqualität des Produkts und die Kundenzufriedenheit

Wie hoch ist der Aufwand für PPAP?

Die Anwendung von PPAP kann ein sehr zuverlässiges Werkzeug sein, es sei denn viele PPAP-Prozesse werden noch manuell erledigt (Dokumente nicht maschinenlesbar als pdf, Excel, Kommunikation via E-Mail). Dann steigt Aufwand für Organisation und Dokumentation des PPAP-Verfahrens und es kann dazu führen, dass die Lieferung von technischen Teilen sich verzögert oder schon zum Serienstart defekte Teile produziert werden.

Was bedeutet das?
In vielen Fällen müssen die Lieferanten interne Dokumente erstellen oder mühselig nach Vorlagen suchen, die dann veraltet oder lückenhaft sind. Des Weiteren wird häufig noch ein Ablagesystem eingerichtet, um die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens zu ermöglichen und um den Überblick zu behalten. Oft wird hierbei Software verwendet, die das Zusammenarbeiten mit Dokumenten erleichtern soll (z.B. Sharepoint, Excel, Word, pdf ...) und am Ende jedoch zu Daten-Silos führt.
Wenn ein OEM Dokumente bei seinen Lieferanten anfordert, erwartet er schnell eine Antwort. Die Antwortzeit des Lieferanten kann darüber entscheiden, ob er ihn auswählt oder einen anderen Lieferanten beauftragt. Oder wenn z.B. das Qualitätsmanagement Team des OEM die PPAP-Dokumentation des Lieferanten sehen möchte, muss der Lieferant gegebenenfalls alles mühsam zusammensuchen. Hierbei steigt die Wahrscheinlichkeit, dass etwas bemängelt wird. Der Lieferant könnte sogar angemahnt werden, weil das Quality Management mangelhaft ist. Idealerweise haben Lieferanten alle wichtigen Daten jederzeit zur Hand und werden von Anfang an positiv wahrgenommen.

Der Aufwand kann durch eine cloudbasierte Plattform gesenkt werden, wenn OEMs und idealerweise alle Lieferanten der gesamten Lieferkette die Plattform gemeinsam nutzen. Die Kostensenkung kann für alle Beteiligten enorm sein - bei stark steigender Transparenz, was zu weniger Fehlern führt.

Beispiel für die Reduzierung von Aufwand durch PPAP Digitalisierung mit einer Supply Chain Collaboration Plattform - in diesem Fall material.one. Auszug aus dem Studienbericht “Das Potenzial der digitalisierten Bemusterung”


Fazit:

PPAP ist ein notwendiges Instrument der OEM-Hersteller, um Vertrauen in Produktlieferanten und deren Produktionsprozesse aufzubauen und Risiken zu reduzieren. Es ist wichtig, um die Kommunikation zwischen Lieferanten und OEMs zu unterstützen und eine hohe Teilequalität in der Produktion zu erreichen. Es wird in verschiedenen Situationen benötigt, wie z.B. bei der Einführung neuer Lieferanten, bei der Entwicklung von Neuteilen oder bei Design- und Prozessänderungen.

Die Vorteile des PPAP-Einsatzes liegen in der Minimierung von Risiken und der Vermeidung von Qualitätsproblemen. Es trägt zur Wahrung der Designintegrität bei, reduziert Garantiekosten und verbessert die Kundenzufriedenheit. Der Aufwand für PPAP kann jedoch hoch sein, insbesondere wenn die Prozesse noch manuell durchgeführt werden. Die Digitalisierung des PPAP-Verfahrens kann den Aufwand reduzieren und die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und OEMs verbessern.

Ein Use-Case für die digitale Umsetzung des PPAP-Verfahrens mit einer plattformübergreifende "Supply Chain Collaboration Plattform" ist der Einsatz der material.one Plattform bei Mercedes-Benz Cars. Diese Plattform dient als zentrale Verbindung zwischen Lieferanten, Sublieferanten, Laboren und Mercedes-Benz zur Digitalisierung der werkstofflichen Bemusterung. Zusätzlich steht der Studienbericht “Das Potenzial der digitalisierten Bemusterung” hier zur Verfügung”


Use Case - Digital PPAP Material bei Mercedes-Benz

Die Digitalisierung des werkstofflichen Bemusterungsprozesses durch material.one, einer plattformübergreifenden "Supply Chain Collaboration Plattform" im Beispiel von Mercedes-Benz Cars. Die Plattform dient als zentrale Verbindung zwischen allen beteiligten Parteien: Lieferanten, Sublieferanten, Laboren und Mercedes-Benz.

Hier geht es zum Mercedes-Benz Use Case Artikel: Mehr erfahren


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